Rolf Langebartels
Internetprojekt Soundbag

 
Klangbeutel Nr. 169
update vom 28. Juni 2007
Anthony Burgess, Der Mann am Klavier, Schutzumschlag
Anthony Burgess
Der Mann am Klavier
Der Roman ist die Geschichte eines jungen Mädchens in Manchester. Ihr Vater arbeitet dort als Klavierspieler im Kino Star. Als 1929 der Tonfilm kommt, versucht er, mit einem Klavier-Marathon, das über dreißig Tage gehen soll, Geld zu machen. Sie beschreibt das Piano und die Spielweise ihres Vaters so:
Das Klavier, auf dem mein Vater im Star spielen mußte, war ein klappriges altes Gerät, das nie gestimmt wurde, aber Dad beklagte sich nicht. Er zeigte mir an einem Samstagnachmittag, gerade vor Beginn der Matinée, während draußen die Kinder schon kreischten und hereingelassen werden wollten, wie ein Mann mit Köpfchen (so bezeichnete er sich selbst) sogar an einem lausigen Klavier einiges ausrichten konnte.
"Die ganzen Noten hier unten im Baß, das ist bloß Lärm, aber sehr nützlich für Trommelwirbel und Gewitter und so weiter. Und das D hier fehlt, aber man kann die Taste gut gebrauchen, wenn jemand ans Fenster klopft. Und das Es hier oben am Ende ist abgerutscht und klingt wie Des, und das bedeutet, daß ich einen sehr raschen Triller auf einer Note bringen kann. Schneller als der Paderusski auf einem richtigen Klavier." Mein Vater hatte die ganze Holzverkleidung vom Klavier abgenommen, so daß er mit einem Kohlenhammer, den er hatte mitgehen lassen, direkt die Saiten anschlagen konnte, was wie Glocken und Zitherspiel wirkte. Wie er selbst sagte - wenn's um Filme ging, war er mehr als bloß ein Klavierspieler, er war dazu der Mann für die Geräuscheffekte.
Er setzte seinen Stolz darein, immer allerlei kleine, irgendwo geklaute oder mitgenommene Gegenstände zur Hand zu haben, damit die Sache, wie er sagte, reeller wurde. Er hatte einen kleinen Wecker für den Fall, daß jemand auf der Leinwand an der Tür läutete. Wenn ein Schäfer auf der Wiese für seine Herde die Flöte blies, griff er zu einem Blechpfeifchen. Regnete es, schüttelte er eine Keksdose voll trockener Erbsen. Einmal beschaffte er sich ein Aluminiumblech, um es beim Donner zu schütteln, aber das hatte er auf der Straße einem Typ geklaut, der sich einen Rennwagen basteln wollte, und es gab Zoff. Spielte auf der Leinwand ein Grammophon, setzte er selbst eines in Gang, mit einer Platte, die Pretty Redwing spielte. Das wurde ihm dann gestohlen, obwohl er es selbst gestohlen hatte.
Die Besucher im Star waren ein ziemlich stures Pack und wußten nie zu schätzen, was mein armer Vater zu ihrer Unterhaltung und Belehrung tat. Den größten Teil der Musik improvisierte er während der Vorstellung. Wie er zu sagen pflegte - die Ärsche kriegten für ihre lausigen drei Pennys Originalkompositionen zu hören.
aus: Anthony Burgess, Der Mann am Klavier, Klett-Cotta, Stuttgart 1989
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