Rolf Langebartels
Internetprojekt Soundbag

 
Klangbeutel Nr. 198
update vom 31. Juli 2009
Bei günstigem Wind hörte ich Sonntags manchmal die Glocken der umliegenden Ortschaften als schwache, sanfte, sozusagen naturhafte Melodie, würdig, die Wildnis zu durchdringen. In ausreichender, Entfernung wächst dieser Ton über den Wäldern zu einem gewissen schwingenden Summen, als wären die Tannennadeln am Horizont die Saiten einer Harfe, über die er glitte.
Jeder Laut, den man aus größtmöglicher Entfernung hört, ruft ein und dieselbe Wirkung hervor, eine Schwingung der Weltharfe. So macht ja auch die dazwischenliegende Atmosphäre einen fernen Gebirgskamm unseren Augen anziehend durch die Azurfarbe, die sie darüber breitet. Zu mir drang dann eine Melodie, die die Luft gesungen hatte, die mit allen Blättern und Nadeln des Waldes Zwiesprache gehalten hatte, jener Teil des Klanges, den die Elemente aufgegriffen, moduliert und als Echo von Tal zu Tal weitergegeben hatten.
Das Echo ist bis zu einem Grade ein naturhafter Laut, und darin liegt sein Reiz und sein Zauber. Es ist nicht nur ein Widerklang dessen, was am Glockenklang der Wiederholung wert ist, sondern es ist zugleich auch die Stimme des Waldes. Es sind dieselben abgegriffenen Worte und Töne, aber eine Waldnymphe singt sie.
Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern
aus dem Kapitel Nummer IV, Laute
Henry David Thoreau lebte von 1845 bis 1847 in einer Holzhütte am Waldensee in Massachusetts, USA, die er selbst gebaut hatte. Aus seinen Tagebüchern und Notizen aus dieser Zeit entstand sein Buch. Es wurde 1854 erstmals publiziert. Die englische Ausgabe ist als Ebook beim Project Gutenberg zu finden.
Weitere Informationen über Walden .
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