Die Grille und die Ameise
Die Grille hatte den ganzen Sommer lang gesungen und fand sich völlig mittellos, als der kalte Nordwind kam. Nicht ein einzig kleines Stück Fliege oder Regenwurm. Sie klagte über großen Hunger bei Frau Ameise, ihrer Nachbarin, und bat sie, ihr etwas Korn zu geben, um zu überleben bis zur nächsten Sommerszeit. »Ich werd Euch zahlen«, sprach sie zu ihr, »noch vor dem Erntemond, auf Grillenehr, die Zinsen und das Kapital.« Die Ameise, die leiht nicht gern; das ist noch ihr geringster Fehler. »Was tatet Ihr zur warmen Jahreszeit?« fragte sie die Bittstellerin. - »Tag und Nacht für jedermann hab ich gesungen, mit Verlaub.« - »Gesungen habt Ihr? Das freut mich sehr. Nun gut, dann tanzt doch jetzt!« |
Jean de La Fontaine
Fabeln
zitiert nach Philipp Reclam Jun. Stuttgart, Universal-Bibliothek Nr. 1718,
Stuttgart 1987, übersetzt von Jürgen Grimm, zuerst publiziert 1668 |
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