Anthony Burgess
Der Mann am Klavier
Der Roman ist die Geschichte eines jungen Mädchens in Manchester.
Ihr Vater arbeitet dort als Klavierspieler im Kino Star. Als 1929 der
Tonfilm kommt, versucht er, mit einem Klavier-Marathon, das über
dreißig Tage gehen soll, Geld zu machen. Sie beschreibt das Piano
und die Spielweise ihres Vaters so:
Das Klavier, auf dem mein Vater im Star spielen mußte, war ein
klappriges altes Gerät, das nie gestimmt wurde, aber Dad beklagte
sich nicht. Er zeigte mir an einem Samstagnachmittag, gerade vor Beginn
der Matinée, während draußen die Kinder schon kreischten und
hereingelassen werden wollten, wie ein Mann mit Köpfchen (so
bezeichnete er sich selbst) sogar an einem lausigen Klavier einiges
ausrichten konnte.
"Die ganzen Noten hier unten im Baß, das ist bloß Lärm,
aber sehr nützlich für Trommelwirbel und Gewitter und so
weiter. Und das D hier fehlt, aber man kann die Taste gut gebrauchen,
wenn jemand ans Fenster klopft. Und das Es hier oben am Ende ist
abgerutscht und klingt wie Des, und das bedeutet, daß ich einen
sehr raschen Triller auf einer Note bringen kann. Schneller als der
Paderusski auf einem richtigen Klavier." Mein Vater hatte die ganze
Holzverkleidung vom Klavier abgenommen, so daß er mit einem
Kohlenhammer, den er hatte mitgehen lassen, direkt die Saiten anschlagen
konnte, was wie Glocken und Zitherspiel wirkte. Wie er selbst sagte -
wenn's um Filme ging, war er mehr als bloß ein Klavierspieler, er
war dazu der Mann für die Geräuscheffekte.
Er setzte seinen Stolz darein, immer allerlei kleine, irgendwo geklaute
oder mitgenommene Gegenstände zur Hand zu haben, damit die Sache,
wie er sagte, reeller wurde. Er hatte einen kleinen Wecker für den
Fall, daß jemand auf der Leinwand an der Tür läutete.
Wenn ein Schäfer auf der Wiese für seine Herde die Flöte
blies, griff er zu einem Blechpfeifchen. Regnete es, schüttelte er
eine Keksdose voll trockener Erbsen. Einmal beschaffte er sich ein
Aluminiumblech, um es beim Donner zu schütteln, aber das hatte er
auf der Straße einem Typ geklaut, der sich einen Rennwagen basteln
wollte, und es gab Zoff. Spielte auf der Leinwand ein Grammophon, setzte
er selbst eines in Gang, mit einer Platte, die Pretty Redwing spielte.
Das wurde ihm dann gestohlen, obwohl er es selbst gestohlen hatte.
Die Besucher im Star waren ein ziemlich stures Pack und wußten nie
zu schätzen, was mein armer Vater zu ihrer Unterhaltung und
Belehrung tat. Den größten Teil der Musik improvisierte er
während der Vorstellung. Wie er zu sagen pflegte - die Ärsche
kriegten für ihre lausigen drei Pennys Originalkompositionen zu
hören.
aus: Anthony Burgess, Der Mann am Klavier, Klett-Cotta, Stuttgart 1989
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